Horrorfilm-Neuling Ich hab's mir angetan: So gruselig ist "Verónica: Spiel mit dem Teufel" wirklich
Einige nennen "Verónica" den gruseligsten Film aller Zeiten. Unsere Autorin hasst Horror-Filme - und hat sich nicht ganz freiwillig an diesen getraut. Die etwas andere Film-Kritik.
Ich habe bisher einen einzigen Horrorfilm geschaut. Ich war 14 und - truth time - guckte an den meisten Abenden vor dem Schlafengehen noch unter mein Bett. Bislang hatte ich bei den regelmäßigen Filmabenden mit meinen Freundinnen, bei denen natürlich auch immer ein Gruselfilm auf dem Programm stand, die 90 Minuten damit verbracht, in der Küche mit den Eltern zu quatschen oder schülerVZ zu durchforsten, während durch die Tür zum Wohnzimmer dumpfe Schreie und lautes Gekicher zu hören waren. Meine Freundinnen hatten sich daran gewöhnt, ich konnte nachts durchschlafen – es war, kurzum, ein erprobtes und gut funktionierendes System.Doch an diesem Nachmittag 2007 hatten wir französische Austauschschüler zu Besuch. Draußen regnete es und irgendjemand hatte die glorreiche Idee "The Blair Witch Project" in den DVD-Player zu werfen. Nur falls das nicht klar war: Wenn ich glorreich sage, meine ich das zu 100 Prozent ironisch. Meine Mädels mochten vielleicht daran gewöhnt sein, dass ich in diesen Situationen normalerweise den Raum verließ, doch die süßen französischen Jungs wussten das ja nicht. Und die waren süß. Und französisch. Lange Rede, kurzer Sinn: An diesem verregneten Nachmittag schaute ich auf einem sehr kleinen Fernseher, dessen Bild zur Hälfte von französischen Untertiteln bedeckt war, am hellichten Tag meinen allerersten Horrorfilm. Und war fortan traumatisiert. Nie wieder, schwor ich mir, nie wieder würde ich mir selbst solche seelischen Schmerzen zufügen. Weder mit einem Film, noch mit einer Geisterbahn, noch mit sonst irgendwas. Warum? Wozu? Was sollte der Sinn dahinter sein?
Elf Jahre lang habe ich es geschafft, mich solcherlei Torturen zu entziehen. Bis Mittwoch. Da schlug ich vor, einen Artikel über den angeblich "gruseligsten Film aller Zeiten" zu schreiben. Eine schlechte Idee. Während ich mir bereits beim Trailer beinahe in die Hose machte und beim Recherchieren der wahren Geschichte hinter dem Film drei Fingernägel lassen musste, wurde in der Redaktionskonferenz eine Idee geboren: "Leute, Jule schreibt einen Artikel zu einem Horrorfilm. Klingt gruselig, wobei, sie ist auch wirklich sehr schreckhaft." - "Ja Mensch, wieso guckt sie den dann nicht und schreibt was drüber? Das wird bestimmt lustig." - "Au ja, super Idee."
Ja, und dann war es auch schon so weit.
So gruselig ist "Verónica: Spiel mit dem Teufel"
Eines möchte ich im Voraus festhalten: Ich saß während der ganzen Zeit in einem gut beleuchteten Büro, in dem noch andere Leute arbeiteten und schaute das Spektakel auf einem Laptop-Bildschirm. Ihr mögt "Memme" sagen, ich sage: ein Glück. Anders hätte ich nicht überlebt.
Die erste halbe Stunde ist eigentlich noch in Ordnung. Viel Vorgeplänkel, poppige spanische 90er Mucke und Bilder, die auch aus einer Highschool-Romanze kommen könnten. Nur die blinde Nonne mit den milchigen Augen ist ein bisschen gruselig. Ich hatte aber schon vorsichtshalber Herzflattern, weil meine sehr hartgesottene Kollegin kurz vorher gesagt hatte, dass sie den Film ausmachen musste, weil er so schlimm war. Und irgendwann muss es ja losgehen.
Als die Mädels zu dritt während einer Sonnenfinsternis in den Keller klettern, begann ich den Bildschirm zu bepöbeln: "Seid ihr noch ganz dicht? Wieso geht ihr da hin? Mädel, nicht zurückbleiben, immer schön den Anschluss halten." Also wirklich, als wüssten die nicht, dass sie in einem Horrorfilm sind.
Dann ging's so richtig los. Die 15-jährige Verónica legt ihren Rucksack auf den Schrank. Nach ganz oben, ganz hinten. Als sie die Tür zum Zimmer hinter sich schließt, hört sie ein Rumpeln. Zurück im Zimmer sieht sie, dass der Rucksack mittig auf dem Teppich liegt. Anstatt schreiend die Wohnung, das Haus oder – noch besser – den Film zu verlassen, legt sie den Rucksack wieder auf den Schrank. Gut, wir haben alle andere Hemmschwellen.
Für alle, die das ganze Elend im Zeitraffer mitansehen wollen:
Nach einer Stunde brauchte ich eine kurze Pause. Durchschnaufen, menschliche Kontakte pflegen, sicherstellen, dass ich noch nicht von irgendeinem Dämon befallen wurde.
Ich möchte hier niemanden spoilern, aber die nächsten 45 Minuten verbrachte ich schweißgebadet in einer senkrechten Version der Embryonalstellung, während gruselige Gestalten durch gruselige Wohnungen schlichen und gruselige Dinge machten. Und selbst wenn gerade nichts passierte, war ich so davon überzeugt, dass gleich garantiert wieder etwas passieren würde, dass ich mich nicht so richtig entspannen konnte und sogar aufschrie, als im Film irgendwo der Fernseher anging. Was im Vergleich zum Rest echt Pipifax war. So im Nachhinein betrachtet, ist das wahrscheinlich der Sinn der Sache bei Gruselfilmen …
Ist "Verónica" der gruseligste Film aller Zeiten? Kann ich dank mangelnder Vergleichsmöglichkeiten schwer beurteilen. Ist es der gruseligste Film, den ich je gesehen habe? De-fi-ni-tiv. Werde ich die nächsten paar Wochen ab und zu einen Blick unter mein Bett riskieren, bevor ich das Licht ausmache? Gut möglich.
Kann ich aus dieser Erfahrung etwas lernen? Ja: Fasse niemals, also wirklich niemals, ein Ouija-Brett an. Und schon gar nicht im Keller während einer Sonnenfinsternis. Das kann nicht gut gehen.
- Horrorfilm
- Gruselfilm
- Netflix